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KONTAKT
Dr. Erich Latniak, Institut Arbeit und Qualifikation | Universität Duisburg-Essen
erich.latniak@uni-due.de
Was lässt sich vom Praxisbeispiel der EBG Group lernen?
KURZ & KNAPP
- Digitalisierung im Unternehmen nachhaltig verankern: Umfassende Digitalisierung bestehender Prozesse oder die Neueinführung von digitalen Technologien sind oft kosten- und zeitintensiv, zahlen sich bei guter Umsetzung aber vor allem langfristig in vielerlei Hinsicht aus. Die frühzeitige und umfassende Einbindung der Beschäftigten in die Einführung von Fertigungsrobotern hat sich im Falle der EBG group sowohl im Hinblick auf deren Zufriedenheit und Arbeitsbelastung positiv ausgewirkt als auch eine Steigerung der Produktionsmenge und -qualität bewirkt.
- Beschäftige und Betriebsräte aktiv mit einbeziehen: Beschäftigte bekamen bspw. die Möglichkeit, den Umgang mit Fertigungsrobotern an einem Prototypen zu üben und gleichzeitig Feedback zu geben, wo noch Verbesserungsbedarf oder -potenzial besteht. Durch engmaschige Information des Betriebsrats und der Beschäftigten über aktuelle und geplante nächste Schritte in der Einführung der Roboter konnten Unklarheiten und Skepsis bereits im Vorfeld weitgehend ausgeräumt werden.
- Knowhow aufbauen und bei Bedarf externe Unterstützung einholen: Die EBG group hat erhebliche Ressourcen und Kapazitäten investiert, um sich das für die Entwicklung von Fertigungsrobotern nötige Knowhow anzueignen – etwa durch Besuche von Schulungen und Tagungen. So war es letztendlich möglich, Konzeption und Umsetzung eigenständig durchzuführen und sich so maximalen Gestaltungsspielraum für die erfolgreiche Digitalisierung zu ermöglichen.
Unternehmen
Die EBG GROUP
Die EBG group ist eine mittelständische und familiengeführte Unternehmensgruppe, deren Tätigkeitsschwerpunkte in der Elektro- und Kunststofftechnik liegen. Neben vier produzierenden Einheiten gehören zur Unternehmensgruppe auch zwei Unternehmen, die sich losgelöst vom Tagesgeschäft der Forschung, (Weiter-)Entwicklung und Marktanalyse widmen. Hauptsitz der EBG group ist Lünen. Neben dem Ruhrgebiet befinden sich Firmensitze am Bodensee und in Tschechien. Insgesamt beschäftigt die EBG group rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Stand: Frühjahr 2022).
Das Beispiel der EBG group zeigt, wie die frühzeitige und aktive Einbindung der Beschäftigten und des Betriebsrats bei der Einführung neuer digitaler Technologien ein Erfolgsmodell für alle Beteiligten sein kann. Die Entwicklung und Einführung von Fertigungsrobotern wurden im Unternehmen von Anfang an in Abstimmung mit Belegschaft und Betriebsrat angegangen. So wurden etwa Prototypen zum Testen bereitgestellt, Feedback dazu ernstgenommen und in die Weiterentwicklung mit einbezogen.
Gemeinsam mit der fortlaufenden Information über aktuelle und anstehende Digitalisierungsprozesse ließ sich nicht nur Skepsis unter den Beschäftigten abbauen, sondern auch der Umstieg auf die neuen Technologien erleichtern und in der Folge die Produktivität und letztendlich auch die Qualität der Produkte steigern.
Was war der Anlass für die Digitalisierung? Was wurde digitalisiert?
AUSGANGSLAGE, TECHNOLOGIE, ZIELSETZUNG
Digitalisierung und Technikunterstützung finden sich in der EBG group auf vielen verschiedenen Ebenen. Zum einen wurde in der Duroplastverarbeitung, also beim Verpressen von sogenanntem Sheet Molding Compound (SMC), schon sehr früh auf die Unterstützung der Beschäftigten durch Roboter gesetzt, um für Entlastung zu sorgen sowie gleichzeitig den Fertigungsprozess zu optimieren und die produzierte Menge und Qualität der Produkte zu steigern.
Außerdem wollte sich das Unternehmen durch die Schaffung eigener Kompetenzen im Umgang mit Fertigungsrobotern unabhängiger von externen Akteuren machen. Zum anderen sind Verwaltungs- und Kommunikationsprozesse zunehmend digitalisiert und damit vereinheitlicht und zentralisiert worden (z.B. durch die Einführung von CRM- und ERP-Lösungen). Das führt zu einer besseren standortübergreifenden Übersicht über betriebliche Abläufe und zu einer schnelleren Bearbeitung von internen und kundenbezogenen Vorgängen.
GESTALTUNG UND UMSETZUNG
Als die EBG group die Einführung von kollaborativen Robotern im Presswerk vorantreiben wollte, gab es noch keine Normung derartiger Technologien, weshalb Konzeption und Umsetzung im Wesentlichen in Eigenregie erfolgen mussten. Das dazu notwendige Knowhow wurde etwa durch den Besuch von Schulungen oder Fachkongressen gewonnen. Zusätzlich ist eine Person eingestellt worden, die mit der Koordination betraut wurde.
Betriebsrat und Beschäftigte wurden von Beginn an stetig über Vorhaben und Absichten der Geschäftsführung im Hinblick auf die Einführung neuer digitaler Technologien informiert und aktiv in die Ausgestaltung der betrieblichen Digitalisierung eingebunden. Der Einführung von kollaborativen Robotern etwa ging eine Pilotphase voraus, in der ein Prototyp aufgestellt wurde. An diesem konnten die Beschäftigten dann einerseits den Umgang mit einem Fertigungsroboter üben, aber auch Anregungen formulieren, die dann von der Geschäftsführung zur arbeits- und praxisorientierten Verbesserung und Weiterentwicklung der Technologie genutzt wurden.
Durch eine frühzeitige und engmaschige Aufklärung, Information und Beteiligung von Beschäftigten und Betriebsrat war es möglich, Skepsis gegenüber der Einführung neuer digitaler Technologien bereits in ihrer Entstehung aufzulösen, indem nicht zuletzt auch die Chancen und Perspektiven aufgezeigt wurden, die mit den konkreten Digitalisierungsprojekten einhergehen. Im Hinblick auf die kollaborativen Roboter war die aktive Einbindung der Beschäftigten in die Weiterentwicklung der wichtigste Treiber von Akzeptanz. Für „unsichtbare“ Formen der Digitalisierung, etwa im Bereich CRM oder ERP, war für die EBG group vor allem die konsequente Information und Transparenz gegenüber Betriebsrat und Belegschaft gleichermaßen von entscheidender Bedeutung für eine positive Grundhaltung gegenüber diesen Technologien.
Was hat bei der Gestaltung und Umsetzung von Digitalisierung geholfen?
UNTERSTÜTZUNG, RESSOURCEN
Da sich die EBG group für die Einführung kollaborativer Roboter in der Duroplastverarbeitung selbst die notwendigen Fachkompetenzen aneignen musste, war dazu der Einsatz erheblicher finanzieller und zeitlicher Ressourcen nötig. Da die Geschäftsführung ihre Planungen jedoch langfristig und zukunftsorientiert ausrichtet, wurden die entsprechenden Investitionen unter Berücksichtigung des Potenzials eines solchen Vorhabens für den weiteren Erfolg des Unternehmens bereitwillig getätigt.
Ein entscheidender Vorteil bei der Einarbeitung und Schulung der Beschäftigten im Umgang mit den neuen Robotern bestand für die EBG group darin, dass durch die Umsetzung der Technologie in Eigenregie auch die Fortbildung aus eigenen Mitteln geleistet werden kann. So werden die Beschäftigten der EBG group in aller Regel auf den eigenen Anlagen angelernt und durch eigenes Personal geschult, wodurch teure und womöglich zeitintensive externe Schulungen wegfallen.
Was wurde erreicht?
ERGEBNIS
Die EBG group hat mit der Einführung kollaborativer Roboter im Presswerk auf mehreren Ebenen die gesteckten Ziele erreicht. Auf die Produktion bezogen konnten das Produktionsvolumen erhöht und entsprechend gleichzeitig die Lohnstückkosten gesenkt werden. Auch die Qualität der Produkte konnte durch die Unterstützung der Beschäftigten durch Fertigungsroboter gesteigert werden. Durch die engmaschige Information und Beteiligung der Beschäftigten an der Einführung und Weiterentwicklung der Technologie einerseits und die Entlastung durch die Roboter im Arbeitsalltag andererseits konnte ein hohes Maß an Akzeptanz in der Belegschaft erreicht werden. Die eigenständige Konzeption, Einführung und Weiterentwicklung von Fertigungsrobotern hat außerdem für eine größere Unabhängigkeit von externen Dienstleistern gesorgt; diese Form des Insourcing förderte auch die Sicherung bestehender Arbeitsplätze.
Prozessoptimierung hat im Falle der EBG group nicht nur durch Digitalisierung selbst stattgefunden, sondern auch durch die Evaluation bestehender Prozessstrukturen im Vorfeld der Digitalisierung; eine Art Bestandsaufnahme der bisherigen Ausgestaltung von Produktions-, Kommunikations- und Verwaltungsprozessen, verknüpft mit der Frage, welche Bestandteile davon im Zuge der Digitalisierung ggf. überarbeitet, vereinfacht, oder neu gestaltet werden könnten, um betriebliche Abläufe noch weiter zu optimieren. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit der Einführung von CRM- und ERP-Systemen von Relevanz gewesen.