Themen
KONTAKT
Paul-Fiete Kramer, Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ)
paul-fiete.kramer@uni-due.de
Was lässt sich von dem Fall Welser lernen?
Kurz & knapp
- Digitalisierung im Unternehmen nachhaltig verankern: Bei Welser wurde schnell klar, dass Digitalisierung eine Daueraufgabe ist und sich immer neue Ansatzpunkte für eine digitale Unterstützung der Arbeit im Unternehmen ergeben – für eine systematische Bearbeitung von Digitalisierungsthemen und -herausforderungen wurde ein festes Team gebildet; zusammen mit der Zukunftsvereinbarung wurde Digitalisierung so als strategische Aufgabe im Betrieb fest verankert.
- Beschäftige und Betriebsräte aktiv mit einbeziehen: In Workshops wurden Beschäftigte über geplante Veränderungen informiert und konnten an deren Gestaltung mitwirken – dieser frühzeitige und aktive Einbezug der Beschäftigten und des Betriebsrates hat bei Welser u.a. zu passgenauen Digitalisierungslösungen geführt, die den Beschäftigten in ihrer täglichen Arbeit helfen.
- Knowhow aufbauen und bei Bedarf externe Unterstützung einholen: Zusätzlich zum betrieblichen Arbeitsalltag ist es für viele Beschäftigte und Führungskräfte häufig schwer, sich in neue Themen einzuarbeiten und Kapazitäten hierfür freizumachen – an dieser Stelle hat den Beteiligten bei Welser die Begleitung und Unterstützung durch externe Berater*innen im Rahmen des Projekts „Arbeit 2020 in NRW“ weitergeholfen.
Unternehmen
Welser Profile GmbH
Die Firma Welser Profile GmbH entwickelt und produziert rollgeformte Sonderprofile, Profilrohre sowie Baugruppen aus Stahl und Nichteisenmetallen. Das Familienunternehmen hat seinen Stammsitz in Österreich. Weitere Standorte u.a. in Deutschland kamen hinzu, so auch der Standort in Bönen mit rund 850 Beschäftigten (Stand: Anfang 2022).
Das Beispiel der Firma Welser zeigt, wie eine Verankerung von Digitalisierung als Daueraufgabe und deren systematische Bearbeitung im Unternehmen gelingen kann. Durch eine Zukunftsvereinbarung und die Bildung eines Digitalisierungsteams wurde die Grundlage für eine kontinuierliche Bearbeitung der Herausforderungen geschaffen: Grundsätzliche Vorgehensweisen bei digitalisierungsbedingten Veränderungen sind dadurch geregelt – das Digitalisierungsteam bündelt Ressourcen und Expertise im Unternehmen. Als Anlaufstelle bei digitalisierungsbezogenen Fragen und Wünschen fördert es zudem die aktive Beteiligung der Beschäftigten.
Was war der Anlass für die Digitalisierung? Was wurde digitalisiert?
Ausgangslage, Technologie, Zielsetzung
Im Jahr 2018 sollte im Werkzeugbau u.a. spezifisches Beschäftigten-Know-how durch den Einsatz von Datenbrillen standortübergreifend besser erschlossen werden. So konnte z. B. für die Wartung einer Profilier-Anlage ein technischer Spezialist von einem anderen Firmenstandort direkt eingebunden werden: Durch die Nutzung der Datenbrille erhielt der Spezialist Einblick in die Anlage und konnte die Kolleg:innen in Bönen bei der Arbeit unterstützen, ohne selbst vor Ort sein zu müssen.
Mit dem Einsatz von Datenbrillen lassen sich auch weitergehende Kundenanforderungen bearbeiten: Datenbrillen ermöglichen einen ortsunabhängigen Einblick in Produktionsabläufe, was Abstimmungsprozesse mit Kunden vereinfacht. So konnten bei Welser zum Beispiel Produktabnahmen digital vermittelt werden, was Kundenbesuche vor Ort und damit den Reiseaufwand reduzierte.
Wie wurde das Thema Digitalisierung angegangen?
GESTALTUNG UND UMSETZUNG
Bei Welser wurden die Beschäftigten von Anfang an in die Gestaltung und Umsetzung der Digitalisierung einbezogen. Ein Kernteam aus Digitalisierungsbeauftragtem und Betriebsrat organisierte in Abstimmung mit der Geschäftsführung abteilungsübergreifende Workshops. In diesen Workshops wurden die Beschäftigten über geplante Digitalisierungsvorhaben informiert. Konkrete Gestaltungs- und Anwendungsfragen (z.B. bezogen auf Datensicherheit, und Gesundheitsschutz) sowie Bedarfe und Wünsche der Beschäftigten (z.B. bezogen auf eine digitale Unterstützung der Arbeit in der firmeninternen Logistik) wurden besprochen. Dabei wurde schnell klar, dass sich das Thema Digitalisierung nicht nur auf den Einsatz von Datenbrillen beschränkt.
Um die Digitalisierung bei Welser systematisch und nachhaltig voranzutreiben, wurde im Jahr 2019 schließlich eine Zukunftsvereinbarung getroffen. Diese regelt das Vorgehen bei digitalen Neuerungen im Betrieb. In der Zukunftsvereinbarung wurde u.a. die Bildung eines festen Digitalisierungsteams vereinbart. Es besteht aus dem Digitalisierungsmanager, Vertretern aus IT und Fachabteilungen sowie dem Betriebsrat. Im Digitalisierungsteam werden Kompetenzen und Ressourcen zur Bearbeitung von Digitalisierungsfragen gebündelt. Zudem ist es die Anlaufstelle für die Beschäftigten, um Ideen und Anregungen aktiv einzubringen.
Die Beteiligung der Beschäftigten und die angemessene Berücksichtigung ihrer Bedarfe führte bei Welser zu passgenauen Digitalisierungslösungen – verbunden mit unmittelbarem Nutzen für die alltägliche Arbeit der Beschäftigten und damit für den betrieblichen Erfolg insgesamt. Aus den Workshops heraus wurden zudem weitere Digitalisierungsaktivitäten im Betrieb angestoßen, die bis dato niemand ‚auf dem Schirm‘ hatte: So wurde von den Beschäftigten im Bereich Spedition/Logistik der Wunsch geäußert, die dortige Arbeit digital zu unterstützen. Bislang erhielten die Staplerfahrer während der Arbeit Anrufe, wenn Waren zur Abholung bereit waren; durch die große Zahl an Anfragen und immer neue Priorisierungen der Transporte waren die Beschäftigten oft überfordert und gestresst. Mit dem Einsatz eines digitalen Systems zur Unterstützung dieser Abläufe und Entscheidungsprozesse konnte eine spürbare Entlastung erreicht werden: Das System nimmt jetzt die Priorisierungen automatisch vor, sodass sich die Staplerfahrer auf die Warenabholung und -beförderung konzentrieren können.
Was hat bei der Gestaltung und Umsetzung von Digitalisierung geholfen?
UNTERSTÜTZUNG, RESSOURCEN
Für die Beteiligten im Betrieb ist es oft schwierig, neben der alltäglichen Arbeit Ressourcen und Kapazitäten freizumachen und das nötige Fachwissen für die Gestaltung von Digitalisierung aufzubauen. Aus Sicht des Betriebsrates bei Welser war daher die Teilnahme am Projekt „Arbeit 2020 in NRW“ der IG Metall besonders hilfreich. Die Gestaltung und Durchführung der Workshops sowie die weitere Umsetzung der Digitalisierungsprozesse wurde durch zwei externe Berater*innen des Projektes unterstützt.
Was wurde mit der Digitalisierung erreicht?
ERGEBNIS
Neben verbesserten betrieblichen Abläufen wurde bei Welser eine größere Aufgeschlossenheit und Sensibilität der Beteiligten gegenüber technologischen Neuerungen und Veränderungsprozessen erreicht. Auf Seiten der Beschäftigten stieß die umfassende Beteiligung auf positive Resonanz. Durch die aktive Mitgestaltung rückte der unmittelbare Nutzen konkreter Digitalisierungslösungen für die alltägliche Arbeit deutlicher in den Blick. Mit der Zukunftsvereinbarung und der Bildung des Digitalisierungsteams wurde Digitalisierung zudem als strategisches Thema und als gemeinsam anzupackende Aufgabe im Unternehmen verankert. Seither wurden bei Welser weitere Aktivitäten angestoßen. So wurden u.a. ‚Digitalisierungsinseln‘ im Betrieb eingerichtet: Diese bieten Raum und technische Infrastruktur, um ungestört von der anderen Arbeit z.B. Video-Calls durchführen zu können.