THEMEN
KONTAKT
Dr. Tobias Wienzek, Sozialforschungsstelle | Technische Universität Dortmund
tobias.wienzek@tu-dortmund.de
Was lässt sich von dem Fall Warsteiner lernen?
Kurz & knapp
- Digitalisierung im Unternehmen nachhaltig verankern: Bei Warsteiner wurden Rückmeldungen und Anforderungen aller betrieblichen Parteien zu konkreten Digitalisierungsvorhaben aufgenommen und diskutiert; die Verabschiedung einer Betriebsvereinbarung hat dann eine transparente und verlässliche Grundlage für alle Beteiligten geschaffen, die die Nutzung des mobilen Arbeitens zukünftig regelt.
- Beschäftige und Betriebsräte aktiv mit einbeziehen: Digitalisierung ist ein komplexes Thema. Betriebsräte sollten das Feld jedoch nicht allein den Unternehmern überlassen, sondern eigene Ideen entwickeln und Beschäftigte frühzeitig über Veränderungs-Vorhaben informieren und auf Bedarfe eingehen, um den praktischen Nutzen von Veränderungen in der Arbeitspraxis der Beschäftigten sicherzustellen. Bei Warsteiner hat dies beispielsweise zu passgenauen Lösungen für das mobile Arbeiten verschiedener Beschäftigtengruppen geführt.
- Knowhow aufbauen und bei Bedarf externe Unterstützung einholen: Zusätzlich zum Tagesgeschäft ist es für viele Beschäftigte, Betriebsräte und Führungskräfte häufig schwer, sich in neue Themen einzuarbeiten und Kapazitäten hierfür freizumachen. Hier konnte Warsteiner im Rahmen des Projektes „Arbeit 2020 in NRW“ die Unterstützung durch externe Berater*innen nutzen. Dadurch konnten neue Impulse für Fragen der Gestaltung und Umsetzung von Digitalisierung im Unternehmen gesetzt werden (z.B. bezogen auf Führungskultur, Kollegialität).
Weiterführende Links:
Projekt Arbeit 2020, Statement Thomas Gierhard, Betriebsratsvorsitzender bei der Warsteiner Brauerei
Projekt Arbeit 2020 – Praxisbeispiel Warsteiner Brauerei
Unternehmen
Warsteiner Brauerei
Das Beispiel der Warsteiner Brauerei zeigt, wie neben der Schaffung technischer Voraussetzungen zur Digitalisierung (zentrale Datenströme) auch Anregungen der Beschäftigten zum verteilten Arbeiten aufgenommen worden sind. Mit der Umsetzung einer Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten wurde schon vor der Corona-Pandemie auf Forderungen nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben reagiert. Gleichzeitig konnte über diese Betriebsvereinbarung auch eine verlässliche Grundlage für die Beschäftigten (Anwesenheiten, rechtliche Regelungen) erreicht werden. Anfängliche Vorbehalte z.B. hinsichtlich einer abnehmenden Leistungsfähigkeit der Beschäftigten im Home-Office wurden entkräftet.
Die Warsteiner-Gruppe umfasst neben der Marke Warsteiner mehrere weitere Marken und Brauerei-Standorte im gesamten Bundesgebiet. Der Stammsitz und gleichzeitig die Zentrale der Gruppe ist Warstein. Von hier aus werden die zugehörigen Unternehmensteile gesteuert. Insgesamt beschäftigt die Gruppe ca. 1100 Beschäftigte, davon ca. 650 am Standort Warstein.
Was war der Anlass für die Digitalisierung? Was wurde digitalisiert?
AUSGANGSLAGE, TECHNOLOGIE, ZIELSETZUNG
Digitalisierung und Automatisierung sind für Warsteiner seit Jahren wichtige Themen: Einerseits, um einem stärkeren Kostendruck begegnen zu können. Andererseits, um Prozesse einfacher und übersichtlicher gestalten zu können. Warsteiner nutzt seit längerem eine einheitliche Softwarebasis, die jetzt auch die durchgängige Vernetzung der einzelnen Bereiche untereinander ermöglicht. Damit kann ein besserer Überblick über Prozesse erreicht werden. Auf dieser Basis konnte Warsteiner in Prozesse des mobilen Arbeitens investieren, wobei dieser Prozess bereits zu Beginn der Corona-Krise abgeschlossen war und damit übergangslos genutzt werden konnte.
Mit der Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten hat das Unternehmen auf Anregungen des Betriebsrates und der Belegschaft reagiert und eine gemeinsame Basis für entsprechende Beschäftigtengruppen geschaffen. Dabei war von Anfang an klar, dass nicht in allen Bereichen ein mobiles Arbeiten ermöglicht werden kann (etwa bei Produktions- und Reinigungsprozessen vor Ort). Die Umsetzung führte nicht nur zu einer besseren Vereinbarung von Familie und Beruf, sie verändert auch die Unternehmenskultur im Unternehmen. Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens bzw. einzelner Abteilungen hat mit der Einführung des mobilen Arbeitens – trotz zuvor geäußerter Bedenken einzelner Abteilungen – nicht abgenommen. Gleichwohl wurde auch darauf geachtet, dass zwischenmenschliche Kontakte weiter möglich sind und die Zugehörigkeit zum Team damit weiter gestärkt wird. Daher sind nach wie vor bestimmte Anwesenheiten vor Ort Teil der Betriebsvereinbarung.
GESTALTUNG UND UMSETZUNG
Die Idee der Einführung von mobilem Arbeiten basiert auf mehreren Entwicklungen im Unternehmen. Zum einen war bereits zuvor für bestimmte Führungskräfte ein teilweise mobiles Arbeiten möglich. Das sollte nun auch auf den Verwaltungsbereich übertragen werden. Begleitet und unterstützt durch das Projekt „Arbeit 2020 in NRW“ war die treibende Kraft der Entwicklung der Betriebsrat, der nach Rückmeldungen aus der Belegschaft das Thema des mobilen Arbeitens dem Management vorgestellt hat.
Zum anderen wurde durch die Vereinheitlichung von Datenstrukturen und Vernetzung im Unternehmen auch die technologische Grundlage für mobiles Arbeiten bereits zuvor geschaffen. Warsteiner setzt schon seit geraumer Zeit auf eine einheitliche Datenerfassung, um alle Prozesse der Produktion und Verwaltung abzubilden. Aktuell liegen die Bestrebungen vor allem auf einer abteilungsübergreifenden Vernetzung der Datenströme, damit sie unternehmensweit genutzt werden können. Diese Datenerfassung war und ist vor allem eine Reaktion auf das Marktumfeld. Hier standen vor allem Kostenargumente im Vordergrund. Gleichzeitig kann die Warsteiner Gruppe über diese Datenstruktur aber auch Verwaltungsprozesse ins Home-Office verlagern bzw. mobiles Arbeiten ermöglichen.
Digitalisierung bei Warsteiner hat neben einer rein technischen Komponente auch einen unmittelbaren Bezug zu den Beschäftigten und ihrer Arbeit. Die Einführung des mobilen Arbeitens lief dabei nicht reibungslos ab und stieß durchaus auf Widerstände. Dies kann einerseits mit einer über viele Jahre gewachsenen Unternehmenskultur begründet werden, die stark auf eine physische Präsenz am Arbeitsplatz ausgerichtet war. Andererseits werden bestimmte Prozesse auch weiterhin ausschließlich vor Ort geleistet werden können (Herstellung, Abfüllung etc.). Hier waren also unterschiedliche Probleme zu lösen. Zum einen der passgenaue Zuschnitt der Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten und zum anderen eine Veränderung der Unternehmenskultur bzw. des bisherigen Verständnisses von Arbeit.
Insbesondere während der Corona-Pandemie wurden die Erfahrungen mit dem mobilen Arbeiten (zwangsläufig) sehr schnell ausgebaut. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Erfahrungen durchweg positiv ausfallen. Auch skeptische Stimmen zum Konzept des mobilen Arbeitens konnten überzeugt werden, da die Leistungsfähigkeit des Unternehmens nicht nachgelassen hat. Wenngleich die Veränderungen im Verständnis von Arbeit und der zukünftigen Arbeitsorganisation noch nicht abgeschlossen sind, lässt sich bereits erkennen, dass auch aufgrund der weiterhin hohen Leistungsfähigkeit das Modell des mobilen Arbeitens ein Erfolgsmodell für Warsteiner ist. Eine breite Einbindung und Information durch den Betriebsrat hat zu bedarfs- und nutzerorientierten Formen des mobilen Arbeitens geführt und so Akzeptanz in allen Bereichen geschaffen.
Was hat bei der Gestaltung und Umsetzung von Digitalisierung geholfen?
UNTERSTÜTZUNG, RESSOURCEN
Unterstützend für die Umsetzung der Betriebsvereinbarung waren unterschiedliche Dinge. Einmal waren (und werden) die Geschäftsprozesse mehr und mehr digital vermittelt abgebildet, was als wesentliche Voraussetzung für einen verteilten Zugriff gesehen werden kann. Hier investiert Warsteiner aktuell vor allem in den weiteren Ausbau der innerbetrieblichen Vernetzung. Zum zweiten gab es schon vor der Betriebsvereinbarung die Möglichkeit für bestimmte Führungsebenen einen Teil der täglichen Arbeitszeit im Home-Office zu erbringen.
Dies sollte auf weitere Bereiche der Verwaltung ausgeweitet werden, wobei ausdrücklich bestimmte Produktionsbereiche sachlogisch ausgeschlossen wurden. Hier nutzte der Betriebsrat als Treiber der ersten Idee zunächst seine gute Vernetzung innerhalb der Belegschaft. Zudem wurden vorbereitende Gespräche mit einzelnen Geschäfts- und Abteilungsleitern geführt. Schließlich hat die Corona-Pandemie in den ersten Einführungsmonaten als Katalysator gewirkt. Die Möglichkeit auf Basis einer bereits zuvor geschlossenen Betriebsvereinbarung in Pandemiezeiten eine erste Überprüfung vornehmen zu können (und auch zu müssen) hat dem Unternehmen geholfen.
Was wurde mit der Digitalisierung erreicht?
ERGEBNIS
Warsteiner hat mit der Möglichkeit zum mobilen Arbeiten vor allem die Zufriedenheit bei den Beschäftigten deutlich erhöht. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf stößt bei vielen Beschäftigten auf große Akzeptanz. So können Fahrzeiten vermieden werden, die vielfach als belastend angesehen werden und auch leistungsmindernd sein können. Gleichwohl wird durch vereinbarte Anwesenheitszeiten im Unternehmen auch der Teamgedanke weiter gestärkt und der soziale Zusammenhalt aufrechterhalten. Auch weitere Digitalisierungs-Aktivitäten wurden in jüngster Vergangenheit angestoßen.
So werden Qualifizierungsbedarfe der Beschäftigten fortan auch digital erfasst und entsprechende Personalentwicklungsmaßnahmen in einem digitalen Tool kontinuierlich fortgeschrieben und transparent gemacht. Insgesamt hat sich Warsteiner mit den verschiedenen Digitalisierungsprojekten auch für neue, junge Beschäftigte attraktiver aufgestellt, die ein anderes Verständnis von Arbeit mitbringen. Mag dies einen eher langfristigen Erfolg versprechen, so ist es doch – insbesondere vor dem Hintergrund eines zunehmend enger werdenden Arbeitsmarktes – ein wichtiges Merkmal für das Unternehmen.