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Denise Becka | Institut Arbeit und Technik
becka@iat.eu
Technologie
AIDA – Akteurszentrierte Integration digitaler Assistenzsysteme
Ein Verbleib in den eigenen vier Wänden ist ein Wunsch, den viele Menschen teilen. Gleichzeitig stehen für Pflegebedürftige aber zunehmend Aspekte wie Gesundheit und Sicherheit im Vordergrund. Wie können diese Gefahren im eigenen Haus eingegrenzt werden, so dass Pflegebedürftige länger selbständig leben können? In der dritten Lernreise in die digitale Zukunft der Pflege bekamen die Teilnehmenden am 15.12.2022 in den Räumlichkeiten des Matthias-Claudius-Zentrums in Oer-Erkenschwick einen umfangreichen Überblick, wie digitale Assistenzsysteme im Projekt AIDA [Akteurszentrierte Integration Digitaler Assistenzsysteme, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)] eingesetzt werden, um Pflegbedürftige in ihrem alltäglichen Leben zu Hause und Pflegekräfte in ihrer Arbeit zu unterstützen. Mithilfe digitaler Sensoren sollen Menschen mit Pflege- und Assistenzbedarfen in die Lage versetzt werden, selbstständiger zu leben. Gleichzeitig wird erforscht, wie der Einsatz von digitalen Assistenzsystemen eine Arbeitserleichterung für Pflegekräfte und die Organisation von Arbeitsabläufen darstellt.
Ziel der Ch@nge Ruhr-Lernreise war es, Fach- und Führungskräften aus Pflegeeinrichtungen im Ruhrgebiet am Beispiel des Projektes AIDA aufzuzeigen, wie digitale Unterstützungssysteme in Wohnungen durch den Einbezug von Pflegebedürftigen, deren Angehörigen und Pflegekräften bedarfsgerecht und arbeitsorientiert gestaltet werden können. Durchgeführt wird das Projekt in Kooperation zwischen der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, dem Diakonischen Werk des Kirchenkreises Recklinghausen und der casenio AG, welche die Technik innerhalb der Probewohnungen bereitstellt.
Im Rahmen der Projektvorstellung und Besichtigung der Probe-Wohnung „wohn@rt“ erhielten die Teilnehmenden einen umfassenden Einblick über Technologien und Funktionen, die essentiell für digital unterstützte Wohnungen sind. Ausgestattet ist die wohn@rt mit fingergroßen Sensoren, die das Bewegungs- und Nutzungsverhalten registrieren, z.B. wenn die Bewohner:innen sich wenig oder gar nicht bewegen, das Bad unter Wasser steht oder nicht mehr regelmäßig essen. Letzteres kann beispielsweise mithilfe von Kühlschranksensoren beobachtet werden, welche registrieren, wann der Kühlschrank zuletzt geöffnet wurde. Darüber hinaus sind in den Wohnungen sowohl Notrufsysteme als auch Kommunikationssysteme via Tablet integriert, die auch den Verlauf gemessener Gesundheitsdaten, wie z.B. den Blutdruck, anzeigen. Durch die miteinander vernetzten Sensoren entsteht schließlich eine integrierte und individuelle Datensammlung über die Bewohner:innen.
Entwicklung
Arbeitsorientierte Entwicklung einer bedarfsgerechten, digital unterstützten Pflegewohnung
Das sensorbasierte Assistenzsystem soll im Projektverlauf in bis zu 25 Haushalten installiert und im ambulanten Pflegesetting im Rahmen von Fallstudien erprobt werden. Dabei werden Pflegebedürftige und Angehörige einbezogen, indem sie nach ihren Erwartungen befragt und im Verlauf der Erprobung um eine Bewertung der genutzten Technik gebeten werden. In diesem Schritt sollen vor allem Nutzungsbarrieren aufgedeckt werden. Pflegefach- und Führungskräfte werden für die Anwendung der Technik systematisch geschult und im Rahmen von Workshops direkt an der Konzeptentwicklung pflegespezifischer Nutzerszenarien beteiligt (z.B. Kommunikationspfade, Pflegeplanung etc.). Die Erfahrungen und Bewertungen aller beteiligten Akteure werden ausgewertet und – auch mit Blick auf die identifizierten Barrieren – für die Anpassung von Technik und die Definition sinnvoller Nutzungsroutinen genutzt. Nach gemeinsamer Diskussion in Fokusgruppen sollen die Gesamtergebnisse des Projekts in ein Rahmenmodell integriert werden, das als Leitbild für eine akteurszentrierte Einführung digitaler Assistenzsysteme in der ambulanten Pflege genutzt werden kann. In diesem Sinne steht auch der Transfer der Projektergebnisse für eine betriebsübergreifende Nutzung als Projektziel im Vordergrund.
Austausch
Mehr Bedarfsgerechtigkeit durch die Teilhabe am Einführungsprozess
Den Teilnehmenden konnte innerhalb der Lernreise vermittelt werden, welche Vorteile für Pflegebedürftige und Pflegekräfte erreicht werden können, wenn die Technik bedarfsgerecht integriert und genutzt wird und wie die partizipative Einbindung von Mitarbeitenden und Pflegebedürftigen gestaltet werden kann. Die Teilnehmenden berichteten ein hohes Interesse an der Einführung sensorischer Systeme in den eigenen Einrichtungen und hatten auch erste eigene Erfahrungen mit der Beteiligung von Mitarbeitenden. Aus dem Vorgehen im Projekt AIDA ließen sich weitere Ansatzpunkte für die partizipative Entwicklung und Einführung von digitalen Assistenzsystemen ableiten, die verschiedene Nutzer:innen-Perspektiven berücksichtigt. Das Rahmenmodell soll nach Projektende einen sinnvollen Ausgangspunkt für Einführungsprozesse digitaler Technik in Pflegeeinrichtungen bilden.
Kritisch wurde dagegen gesehen, dass die Technik zumeist nicht direkt umfassend auf die Bedürfnisse der Bewohner und Angehörigen angepasst werden kann. Dies kann lediglich durch eine stetige Anpassung des Assistenzsystems geschehen. Hier machte sich die Befürchtung breit, dass dieser Prozess eher mit einem Mehraufwand für die Mitarbeitenden verbunden sein könnte. Die Anpassungen sollen aber möglichst selbstbestimmt von Pflegebedürftigen selbst bzw. deren Angehörigen vorgenommen werden, weshalb die Möglichkeit besteht alle Funktionen und Konfigurationen der Assistenzsysteme selbst steuern zu können. Pflegefachkräfte sollen durch Schulungen und Teilhabe am Gestaltungsprozess Kompetenzen erlangen, um Pflegebedürftige zu unterstützen, aber auch um mit Technikern in den Austausch zu treten.
Weitere Information zum Forschungsprojekt AIDA finden sie hier.